Lukas Heintschel zählt zu den jungen Designern, die man sich merken sollte. Zu seinen Schwerpunkten gehören Möbel, Leuchten sowie das Design von Marken und Verpackungen. Der studierte Industriedesigner wurde mit der mobilen Neozoon Leuchte bekannt, die sich mittels Saugnapf fast überall befestigen lässt.
Im Gespräch mit Lukas Heintschel
Du zählst zu den aufstrebenden Designern Deutschlands. Kannst du dich kurz vorstellen?
Gern. Ich bin Jahrgang 1995 und habe nach der Schule Produkt- und Industriedesign in München studiert. Während des Studiums habe ich in mehreren Studios für Produktdesign und bei einem Leuchtendesigner gearbeitet. Daher wohl auch meine Faszination für Licht.
Im Studium wurde auch schon der Grundstein für die Neozoon Leuchte gelegt. Mit einer Crowdfunding Kampagne konnten wir die Anfangsfinanzierung bewältigen und das Projekt realisieren. Mit Messeauftritten - zum Beispiel auf der Milan Design Week oder der Light & Building - konnte ich Kontakte zu anderen Herstellern knüpfen, aus denen sich erste Kooperationen entwickelt haben. Und schließlich ein eigenes Studio gründen.
Heute arbeite ich als Produktdesigner auch für andere Marken.
Du gehörst einer jungen Generation von Künstlern an. Was hat dein Designverständnis geprägt?
Schon als Kind hatte ich ein großes Interesse an Kunst und Technik und habe viele Museen besucht - in München vor allem das Deutsche Museum, in dem viel Technik gezeigt wird. Ich war aber auch schon immer fasziniert von Kunst. Design hat sich für mich als Schnittstelle zwischen Kunst und Technik logisch angefühlt. Es ist die Mischung aus Pragmatismus und Poesie, die mich begeistert. Sie lässt Grenzen verschwimmen.
Kabellose Neozoon Akku-Leuchte
Dank Saugnapf hält sie an fast jeder glatten Oberfläche...
... und kann auch freistehend eingesetzt werden.
Bei meiner Arbeit beschäftige ich mich gern mit neuen Technologien und versuche herauszufinden, wie sich unterschiedliche Aspekte gut miteinander kombinieren lassen. Das macht Design für mich so spannend.
Kannst du uns ein Beispiel geben?
Der 3D Druck ist ein gutes Beispiel. Die Herangehensweisen an die Gestaltung haben sich gar nicht grundlegend geändert, aber für die Umsetzung stehen ganz neue Werkzeuge zur Verfügung. In der Technologie und der Nachhaltigkeit dieses Verfahrens sehe ich eigentlich nur einzelne Aspekte, die das Design ergänzen. Design ist immer fluid gewesen und hat mit den neuen Technologien einen neuen, aber wichtigen Aspekt gewonnen.
Wer waren deine Vorbilder?
Zum einen Enzo Mari. Er hat Design auch als politisches und soziales Instrument genutzt, um praktische und erschwingliche Gebrauchsgegenstände zu entwerfen, die lange halten, und zwar viele Jahre, bevor der Nachhaltigkeitsbegriff überhaupt aufkam. Seine Entwürfe sind gleichzeitig leicht und manchmal sogar humorvoll.
Auch Buckminster Fuller bewundere ich sehr. Er war ein Visionär, wenn auch mit einem Hang zum Größenwahn. Dennoch findet sich in seinen Konzepten viel Aktualität wieder, wenn man die Gegenwart betrachtet, wie sie sich entwickelt hat.
Hat sich deiner Meinung nach die Herangehensweise im Design grundlegend geändert? Wir sprechen von neuen Materialien, Technologien und Nachhaltigkeitskriterien.
Ich finde nicht. Ich beobachte, dass sich Designprozesse eher verlangsamen als beschleunigen, was eigentlich ein Paradox ist. Viele der Marken, mit denen ich zusammen arbeite, entwickeln weniger Produkte als früher. Das hat in meinen Augen zwei Gründe. Zum einen müssen Produktentwicklungen zunehmend nachhaltiger werden, zum anderen herrscht in vielen Bereichen eine starke Unsicherheit. Wie ist das nächste Kapitel? Wohin bewegt sich die Welt? Diese Fragen kann niemand beantworten, aber sie bieten gute Denkanstöße für junge Designer.
Überstand Regal
Zeitschriftenständer Wackelkandidat
Wenn Ihr mich fragt, muss man heute den Begriff “Neu” überdenken. Gilt nur das Neue als schön oder kann auch etwas Restauriertes oder Wiederhergestelltes, an die Gegenwart angepasstes “neu” sein? Diese Frage sollte das Design beschäftigen. So können wir eine Verbindung zwischen Tradition und Moderne herstellen.
Welche Schwerpunkte verfolgt dein Design?
Meine Entwürfe sind von der Faszination für das Technische geprägt. Die Frage, wie Dinge funktionieren und wie Lösungen gefunden werden können, treibt mich um. Aber Design sollte auch poetisch sein, also ein Gefühl vermitteln, welches über das Objekt transportiert werden kann. Auch Ironie darf sein. Beides sind Teile meiner Entwürfe. Ich versuche, die Dinge zu hinterfragen. Nur so kann man Konventionen auf den Kopf stellen. Wie kann ein Produkt neu gedacht oder seine Funktion so angepasst werden, dass es sich verbessert?
Dazu kommt ein bodenständiger Ansatz zu Nachhaltigkeit. Design muss auch ökonomisch sein. Das beinhaltet die Auswahl der Materialien, ihren sparsamer Einsatz und ihre Langlebigkeit. Ein Produkt sollte nicht auf dem Müll landen, wenn es nicht mehr gebraucht wird oder, sondern z.B. wiederverkauft werden.
Dieser Ansatz wird in einer neuen Leuchte deutlich, die gerade für eine Marke entsteht. Wir versuchen, ohne Materialverschnitt auszukommen. Das ist auch mit herkömmlichen Fertigungstechniken möglich. Die Leuchte besteht hauptsächlich aus Metall und Naturstein und wird mit einem Minimum an Produktionsabfällen gefertigt. So verbinden wir Ökologie und Ökonomie in einem einzelnen Produkt.
Kannst du uns den Designprozess von der ersten Idee bis zum fertigen Produkt beschreiben? Vielleicht anhand deiner sehr erfolgreichen Neozoon Leuchte?
Neozoon Leuchte
Projekte starten oft mit Alltagsbeobachtungen meiner Umgebung. Die Neozoon Leuchte ist ein recht gutes Beispiel. Mir ist aufgefallen, dass Akkuleuchten eigentlich alle wie kleine Schirmleuchten gestaltet sind. Diese klassische Leuchtenform ist in der Zeit der Glühbirnen entstanden. In der Zwischenzeit wurde die Technik weiterentwickelt, zuerst LED, dann Akkutechnik. Die Leuchten selbst sind dabei gestalterisch eigentlich die gleichen geblieben.
In Bezug auf die technologieschen Möglichkeiten einer LED Leuchte mit Akkutechnologie kam mir der Gedanke, die Mobiliät der Lichtquelle auch wirklich mobil zu machen. Wie könnte sie noch vielseitiger nutzbar sein und auch ihr Äußeres verändern?
Im nächsten Schritt habe ich viel experimentiert mit Befestigungen wie Haken etc. und bin am Ende bei Saugnäpfen gelandet. Die Neozoon Leuchte ist losgelöst von Schubladendenken. Nach den ersten Skizzen folgte der Modellbau. Modelle sind immens wichtig, um die Raumwirkung oder Funktionen eines Produkts zu testen. Im Fall der Leuchte waren zum Beispiel die Beschaffenheit der Saugnäpfe extrem wichtig und im Zusammenhang damit die Gestaltung der Oberfläche. Parallel dazu entstehen natürlich digitale Designs am PC, aber ob ein Produkt so funtkioniert, wie man es sich vorstellt, sieht man nur am praktischen Objekt.
Die Neozoon Leuchte wurde vielfach ausgezeichnet, z.B. mit den Awards „DesignPlus“ „LAMP“ und „IMM Pure Talent“., Anm. d. Red.
Preisgekröntes Licht für Individualisten
Akkuleuchte Neozoon
Neozoon macht das Licht mobil und bietet viele Einsatzmöglichkeiten. Ihr großer Saugnapf dient als Befestigung und hält an fast allen glatten Flächen, zum Beispiel am Fenster, an der Wand, am Spiegel...
Im Shop ansehen
Bei Kooperationsprojekten läuft der Prozess ganz ähnlich ab. Wenn ich zum Beispiel mit dem Entwurf eines Tisches beauftragt werde, schaue ich mir zuerst an, was den Hersteller und sein Sortiment ausmacht. Dann überlege ich, was es schon auf dem Markt gibt und was noch fehlt. Daraus entwickele ich die ersten Ideen.
Es gibt ja schon fast alles. Wird es nicht schwierig, immer neue Designs zu finden?
Ja, das stimmt. Aber die Bedürfnisse der Menschen ändern sich permanent. Nachhaltigere und inklusivere Produkte sind heute notwendiger denn je. Das Produkt muss sich an unser Leben anpassen, nicht umgekehrt. Produkte, die mobil und an unterschiedliche Lebenssituationen anpassbar sind, sind auch nachhaltig. Darin sehe ich das Potential für Neue, gut gestaltete Produkte, die lange halten.
Vase Flumen
Pendelleuchte Con
Garderobe Großvater
Heron Table
Heron Credenza Sideboards
Bank Ren
Gibt es gerade neue Projekte, auf die wir uns freuen dürfen?
Zurzeit arbeite ich an einem 3D gedruckten Stuhl aus recycletem Bioplastik und recycleten Holzfasern. Die Materialauswahl soll einen Bogen spannen zwischen der futuristischen Technologie des Möbeldrucks und der Optik des vertrauten Werkstoffes Holz. Das Design kann hier gut eingreifen, um eine Brücke zu spannen und das Produkt auch emotional zu vermitteln.
Ich darf noch nicht zu viel verraten, denn der Stuhl soll erst 2024 auf den Markt kommen. Es soll ein Allrounder werden, der auch als Gruppe am Esstisch gut funktioniert, aber einen eigenen Charakter hat.
Das Grundkonzept des Stuhls ist das Material als Weiterentwicklung des klassischen Formholzes zu interpretieren. Der Baum erhält ein zweites Leben, indem Sägespäne - ein Abfallprodukt - dem Druckergranulat beigemischt werden. Die Assoziation zum Künstlichen wird in den Hintergrund gestellt, denn das Möbel greift zwar eine futuristisch anmutende Technologie auf, vermittelt aber optische Wärme und wird damit zum Sympathieträger.
Vielen Dank für das Gespräch.
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