Farbe ist Leben. Die Natur macht es uns vor: Wohin wir auch blicken, beeinflusst unsere Umwelt in ihrer Farbigkeit Sinne und Wohlbefinden. Was Farbe für das Leben in Innenräumen bedeutet, erklärt uns Juliana von Gatterburg, Farbexpertin bei Caparol Icons.
Caparol Icons
Das Familienunternehmen mit Sitz im hessischen Ober-Ramstadt ist eine Tochterfirma des Traditionshauses Caparol, das auf 125 Jahre Erfahrung und Begeisterung für Farbe zurückblickt. Mit 120 ikonischen Farbtönen, die auf einer wissenschaftlichen Studie über Farbkultur aus sechs Jahrzehnten basieren, zieht ein eleganter, luxuriöser Lifestyle in die eigenen Räumlichkeiten ein. Anregungen aus Kunst, Musik, Architektur, Literatur, Design, technischem Fortschritt und Mode haben das CAPAROL ICONS Team zur Entwicklung einer modernen, exklusiven Farbkollektionen geführt. Natürliche und pastellige Farben sind ebenso im Angebot wie besonders leuchtende Nuancen, Neon- und Metallic-Töne. Die damit entstehenden pudrig matten Wände verleihen Räumen ein einzigartiges Flair.
Zur Person
Juliana von Gatterburg kam auf verschlungenen Wegen zu CARAPOL ICONS. Schon während ihrer Ausbildung zur Kostümbildnerin und Schneiderin lernte sie die Welt der Farben und Stoffe kennen. Nach der Erziehung ihrer Kinder arbeitete sie als Stylistin und als Textilberaterin im Möbelhandel, bis sie schließlich zu CAPAROL ICONS fand, deren Liebe zu Material und Handwerk sie vom ersten Moment an begeistert hat. In der Farbberatung geht es auch um eine verlorene Farbidentität, mit der sich beide intensiv auseinander setzen.
Farben für die Sinne
Warum ist Farbe in Innenräumen wichtig?
Juliana von Gatterburg: Wir sind überall umgeben von Farbe, sei es in der Natur, von Bauten, Autos, Menschen und Tieren. Doch wenn wir nach Hause kommen, treten wir häufig in eine Welt ein, in der Farbe abwesend zu sein scheint. In den eigenen vier Wänden wurde lange kaltes Weiß bevorzugt. Dass Weiß neutral ist, ist in meinen Augen ein Denkfehler. Weiß ist einer der härtesten Kontraste, die man überhaupt schaffen kann. Ich würde eher umgekehrt fragen: Woher kommt es, dass Weiß immer der Weisheit letzter Schluss ist? Gilt es doch unter Experten mitunter gar als lebensfeindlich. Von Grau über Mint bis Blau darf man sich alles vorstellen, was man bisher nur in Weiß gesehen hat.
Farbe in Innenräumen ist so wichtig, weil sie mit Emotionen verknüpft ist. Sandig erdige Töne (zum Beispiel unsere No 26 UNDERSTATEMENT oder No 27 FLOKATI FRILL) kommen natürlich daher und werden als sehr selbstverständlich und wärmend empfunden, sie sind viel neutraler als Weiß, das ich als hart und starr empfinde. Auch Grautöne in all ihren Abstufungen strahlen mehr Wärme aus. Dass wir unsere Wände lange eher emotionslos gehalten haben, hat nach meiner Ansicht etwas mit unserer Identität zu tun. Die Deutschen haben - im Gegensatz zu vielen anderen Nationen und Kulturen - gewissermaßen mit dem Zweiten Weltkrieg ihre Farbidentität verloren. Langsam kehrt das Bewusstsein für Farbe und auch der Mut dazu zurück, und das ist gut, denn wir erleben tagtäglich, wie glücklich die richtige Wandfarbe unsere Kunden macht.
Wie finde ich den richtigen Farbton?
Juliana von Gatterburg: In meinen Beratungen geht es darum die richtigen Farbtöne aus den 120 Farbikonen von CAPAROL ICONS zu finden, unter denen es viele "Unbunte", aber auch intensivere Varianten gibt. Farbig heißt ja nicht automatisch bunt.
Die passenden Farbtöne finden wir durch die Bestandsaufnahme des Raumes. Wir schauen, welche Materialien und welche Oberflächen es dort gibt, welche Tonigkeit diese haben und welcher Farbfamilie sie angehören. Es ist nicht ratsam, immer mehr vom Gleichen hinzuzufügen, wenn ohnehin schon eine Dominanz durch Türen, Böden und die vorhandene Einrichtung gegeben ist. Das mag ja passen, wirkt aber schnell langweilig. Eher versuchen wir Kontraste zu setzen, das schafft Dynamik und Lebendigkeit. Kontrastreiche Hintergrundfarben bringen die einzelnen Materialien und Möbelstücke erst richtig zur Geltung.
Wenn Menschen lange in grauen Farbwelten gelebt haben und sich verändern möchten, rate ich ihnen, abzuweichen. Nicht nur einen Ton zu wählen, sondern Dynamiken zu schaffen durch Hinzufügen von dunklerem Grau, Rosa oder Grün. Dabei sollte ein Dreiklang entstehen.
Natürlich spielen auch die Lebensgewohnheiten eine Rolle bei der Farbauswahl. Wann bin ich in dem Raum, lebe oder schlafe ich darin, wird dort kreativ gearbeitet oder geruht? Die Farbe muss auch der Persönlichkeit und dem Stilempfinden ihrer Bewohner entsprechen. Farbe ist ein Mittel zum Selbstausdruck.
Die Herangehensweise sollte über den Raum erfolgen. Wenn zum Beispiel im Bad Keramik, Fliesen und Böden durchgängig weiß sind, sollten die Wände einheitlich in einer Kontrastfarbe gestrichen werden. Bei großen Räumen kann auch eine einzelne farbige Wand gestrichen werden. Das hängt aber sehr mit der Einrichtung zusammen. Repräsentative Räume können ruhig mehrere Wandfarben verbinden.
Die Wandfarbe kann auch bewusst ein Statement setzen, humorvoll und nicht für die Ewigkeit ausgelegt, denn Wände lassen sich auch wieder andersfarbig streichen. Es macht Spaß, mit Farbflächen oder Mustern auf der gestrichenen Wand als Gestaltungsmittel zu spielen.
Versuchen Sie bei der Auswahl Ihrer Wandfarben intensivere, mutigere Konzepte zunächst in kleineren Räumen, in denen Sie sich nicht so oft oder nur für kurze Zeiträume aufhalten. Das kann das Gästebad, Gästezimmer oder der Eingangsbereich sein. Sie werden schnell merken, wie wohl Ihnen die Farbe tut und es wird einem selten bewusst wie schnell man sich an zunächst Neues gewöhnt.
Eine Farbberatung durch den Experten kann dabei eine große Hilfe sein. In der online Beratung erhalten unsere Kunden z.B. Echtfarbmuster, an denen sie das Ergebnis vorher schon erleben können. Dann fällt die Entscheidung leichter. Wir arbeiten auch mit Musterdosen, mit denen der Kunde vorab die Farbwirkung in den eigenen Räumlichkeiten testen kann. Bei vor Ort Beratungen bringe ich große Farbmuster in Echtfarbe mit. So entsteht beim Kunden eine größere Sicherheit bei der Entscheidung.
Worauf ist beim Streichen zu achten?
Juliana von Gatterburg: Die Farbikonen von CAPAROL ICONS sind hochpigmentierte Farben, die auf glatten Untergründen besonders schön aussehen. Sie enthalten keine Schlemmkreide. Wichtig ist die Grundierung, denn zunächst einmal muss der Untergrund gesättigt werden. Die dünnschichtigen Farben werden nach der Grundierung zweimal aufgetragen. Durch die Menge an Pigment und gutem Bindemittel sowie den mehrfachen Anstrich entsteht eine große Farbtiefe. Das Material zieht sich sehr glatt auf und es entstehen samtige Wände mit enormer Ausdrucksstärke.
Die Farben sollten für ein optimales Ergebnis von professionellen Maler:innen auf die Wände aufgetragen werden. Denn das Wissen über eine fachgerechte Grundierung und die weiteren wichtigen Arbeitsschritte sind hierbei von großer Bedeutung. Das ist ganz ähnlich wie bei einem guten Makeup.
Wie hat sich die Coronapandemie auf unser Farbempfinden ausgewirkt?
Juliana von Gatterburg: Es wurde viel zuhause verändert, weil wir mehr zuhause waren, aber auch weil sich im Außen viel verändert hat. Es war schon vor Corona zu bemerken, dass sich der Umgang mit Farbe im Innenraum verändert hat.
Jetzt, in den Monaten der Pandemie, waren es viele intensive Farbtöne wie No 85 IVY LEAGUE, oder No 65 SKATER, No 50 FETISH, No 84 BANANA REPUBLIK, um nur die dunkelbunten zu nennen. Ich habe den Eindruck, dass wir unsere eigene Farbkultur oder Farbidentität wieder aufnehmen, die der Zweite Weltkrieg uns genommen hatte. Wir nehmen gerade den roten Faden wieder auf und sehen, auch durch das Bauhausjahr 2019, welch ausgeprägte Farbkultur es in Deutschland einmal gab. Auch unsere international gefeierten Künstler wie Gerhard Richter, Anselm Kiefer oder Ernst Graupner erinnern wir uns daran.
Zum neuen Farberleben hat auch das Vintage Thema beigetragen. In den 1970er Jahren hatten wir in Deutschland psychedelische Tapeten in Braun-, Orange-, Gelb- und Rottönen. Das Orange kehrte etwas später in der Poona Bewegung wieder, und zurzeit sehen wir wieder Orangetöne in der Kombination mit Technik, bei Autos und Küchengeräten. Orange ist kreativ, rebellisch, auch etwas ungezogen. Es symbolisiert für mich ein Ärmel hochkrempeln.
Stellen Sie eine Veränderung im Konsum von Farben fest?
Juliana von Gatterburg: Der Mensch ist anpassungsfähig, es tritt schnell ein Gewöhnungseffekt ein. Die Pandemie hat uns sicher zu einem besseren Konsumverhalten geführt, zumindest zeitweise. Wandfarben sind ohnehin eher ein nachhaltiges Produkt. Wir konsumieren es nicht so wie wechselnde Modetrends oder Nagellacktöne.
Die Menschen wollen irgendwann renovieren oder sie müssen es. Die Zeitspannen liegen dabei unverändert zwischen 6-10 Jahren. Vielleicht werden sich die Intervalle in Zukunft etwas verkürzen, auch getrieben durch die Flut an Bildwelten auf Instagram oder Pinterest. Gleichzeitig gibt es den Zeitgeist des Nachhaltigen und Sinnvollen. Ich könnte mir vorstellen, dass beispielsweise Küchenfronten umgestrichen werden, statt neue zu kaufen. Auch Möbel lassen sich neu lackieren.
Welche Farbtrends kommen im Herbst und Winter auf uns zu?
Juliana von Gatterburg: Wir sehen vielfach eine Kombination aus Orange und erdigen Rottönen. Orange steht für Kreativität, auch für Frechheit und Aufbruch. Naturtöne, die uns an Leder, Leinen, Wolle oder Holz erinnern, sind unabkömmlich. Zu den Naturmaterialien im Wohnbereich gesellen sich erdige Rottöne, die für Aktivität stehen. Grüntöne bleibt uns erhalten. Blau findet sich eher als Mischton hin zum Grün wieder. Diese Farben haben etwas Unentschiedenes. Interessant ist, dass feminin wirkende Farben auch von Männern mehr und mehr akzeptiert werden.
Verraten Sie uns Ihre Lieblingsfarbe?
Juliana von Gatterburg: Als Kind habe ich immer gern gesungen: “Grün grün grün sind alle meine Kleider”. Grün in Kombination mit Lila, Flieder oder Rosa ist auch heute noch mein Favorit.
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